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  • AutorenbildEwa Aukett

Hochsensibel und schüchtern ...

Ja, ich lebe noch :) und ich melde mich endlich zurück.

Meinen ursprünglich geplanten Beitrag habe ich kurzfristig auf Eis gelegt, weil ich heute Morgen einen sehr bemerkenswerten Artikel der Buchbloggerin Monika Schulze von „Süchtig nach Büchern“ gelesen habe und das einige Grübeleien in mir angestoßen hat, die mir schon länger quer sitzen.

 
 

Dabei habe ich nicht nur die letzten sieben Jahre seit meiner ersten Veröffentlichung Revue passieren lassen, sondern auch die lange Zeit, in der ich vorher schon mit meiner eigenen „Art“ zu kämpfen hatte.

Genau wie Monika bin auch ich ein sehr introvertierter Mensch – und ich erinnere mich an einen sehr unangenehmen Moment während meiner Anstellung als Bürokauffrau, in dem eine meiner Kolleginnen mich der neuen Büroleitung mit den Worten „Die ist sehr schüchtern, da darfst du nicht mit vielen Worten rechnen“ vorstellte. Das war nicht nur super unangenehm und unangebracht, ich bekam auch direkt diesen unsichtbaren Stempel der „Inkompetenz“ aufgedrückt. Ich wusste, ich war gut in meinem Job, aber solche Äußerungen bleiben an dir kleben, und sie untergraben dein ohnehin schon nicht sonderlich ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Introvertiertheit geht oft einher mit Hochsensibilität. Allerdings wusste ich früher nicht, was mit mir los war, wenn ich wieder das Gefühl hatte, dass mir „alles zu viel“ wurde. Ich wusste nur, dass ich gerne für mich war, mein eigenes Ding machte. Ich habe nur für mich geschrieben, nur für mich gemalt, ich habe meine „Werke“ immer nur zögerlich und mit großer Anspannung mit meinen Freundinnen geteilt. Die Welt war mir zu laut und zu unruhig, Menschen waren mir zu anstrengend und teilweise haben sie mir Angst gemacht. Ich hatte keine Ahnung, warum ich spüren konnte, wie sich die Atmosphäre in einem Raum ändert, wenn die Stimmung umschlägt, wieso ich mich mehr als andere in mein Gegenüber hineinfühlen konnte, was nicht immer nur positive Effekte hatte, oder wie bedrückend es war wenn alle verstummten, sobald ich das Büro betrat und genau wusste, dass sie eine Sekunde zuvor über mich gesprochen / gelästert hatten. Dass ich hochsensibel bin, wurde mir erst in den letzten Jahren klar, als ich mich näher damit beschäftigt habe und es hat vieles erklärt, was in der Vergangenheit passiert ist: Wenn du hochsensibel bist, wirst du schneller zum „Opfer“ … ich habe schon in der Schule erlebt, wie sich Mobbing anfühlt, später als Heranwachsende in der Ausbildung und zuletzt als Erwachsene im Job. Es ist eine Sache, die Einsamkeit selbst zu suchen, aber etwas anderes, wenn du alleingelassen wirst. Nach dreizehn Jahren in einem Job, den ich wirklich mal gern gemacht habe, stand ich an einem Wendepunkt und vor der Entscheidung die Arbeit hinzuschmeißen oder mein Leben. „BurnOut“ nennt man das im Allgemeinen – ich war allerdings schon verdammt nah dran am „Mental Breakdown“ (Nervenzusammenbruch) und der war nicht einer Arbeit geschuldet, die mich überforderte, sondern der Tatsache, dass mein direkter Vorgesetzter mich psychisch drangsalierte und die Geschäftsleitung wegsah. Im Grunde bin ich nur deshalb wieder aufgestanden, weil jahrelanges „auf die Fresse fallen und wieder aufstehen“ so tief von mir verinnerlicht worden waren, dass aufgeben nicht in Frage kam. Dennoch war es verdammt hart weiterzumachen - und es hat viel Kraft gekostet. Zum Glück habe ich mich gegen den Job und für mein Leben entschieden … trotzdem hat es noch zwei weitere Jahre gebraucht, um nach den Sternen zu greifen und, mit dem dringend nötigen Zuspruch einer Freundin, ein paar meiner Träume zu realisieren.

Als ich 2013 mein erstes Buch über BookRix veröffentlicht habe, hätte ich niemals damit gerechnet, dass irgendjemand es lesen würde. Tatsächlich haben es dann sogar ziemlich viele gelesen und mein Buch landete unerwartet in den Top 20 bei Amazon. Die erste Rezension hat mich zu Tränen gerührt, weil sie voller Begeisterung war – die nächste, hat mich zum Heulen gebracht, weil sie mich gnadenlos niedermachte … und wie es immer bei mir war, blieb der Tadel viel stärker an mir haften als das Lob. Der Verlag hat aber an mich geglaubt, mich unterstützt und mir Mut zugesprochen – und ich habe gelernt konstruktive Kritik von inhaltsloser Häme zu unterscheiden. Statt den Kopf in den Sand zu stecken habe ich die nächsten Bücher geschrieben, eine holperige Homepage eingerichtet und bin im Jahr darauf mit wildem Herzklopfen und großem Enthusiasmus nach Frankfurt zu meiner ersten Buchmesse gefahren. Alles war neu und aufregend, es hat mich regelrecht überrollt und ich hatte gar keine rechte Zeit groß über das nachzudenken, was ich tat. Für eine Weile vergaß ich fast, dass ich mich doch sonst immer gern in meinem Schneckenhaus versteckte und jeden Kontakt nach außen vermied - ich setzte den ersten Schritt in eine völlig neue Welt.

Ich kann mich gut erinnern, wie ich am Stand von Bastei Lübbe mit Lisa von BookRix in einer Ecke saß und wir uns unterhielten. Ich wartete nervös auf das von ihr angekündigte Eintreffen von Any Cherubim – und ich hatte Schiss vor dieser Begegnung, da ich immer ihr Debüt-Buch bei BookRix gesehen hatte und tief beeindruckt war, weil sie bereits eine umwerfende Fangemeinde besaß. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was die ersten Worte waren die wir gewechselt haben. Ich weiß aber noch genau, dass sie um die Ecke bog, wir uns angesehen und gleich darauf in den Armen gelegen haben, als wäre es nie anders gewesen. Bis heute hat sich nichts an dem Gefühl tiefer Verbundenheit und Freundschaft geändert, dass wir füreinander empfinden und ich bin so dankbar, sie in meinem Leben zu wissen. Meine ersten Leser-Begegnungen waren geprägt von Unsicherheit auf beiden Seiten – aber ich erinnere mich noch gut an das nächste Jahr in Frankfurt, und wie ich auf dem Weg zu einem Termin war und in einem der Gänge, die vom Eingangsbereich zu den Hallen führen, von einer Leserin angesprochen wurde. Ich war so überrascht und erfreut, dass ich sie spontan in den Arm genommen und damit vermutlich völlig aus der Bahn geworfen habe. Oder wie mir ein großer, breitschultriger Herr mit seiner Frau an der Seite gegenüberstand und ich völlig verunsichert war, weil er mich so tadelnd musterte – bis ich begriff, dass er einer meiner wenigen männlichen Stammleser war und darauf wartete, dass ich ihn endlich erkannte. Es hat so viele warme, herzliche Begegnungen mit Lesern, Bloggern und anderen KollegInnen gegeben … und ich habe mich zum ersten Mal gefühlt, als wäre ich am einzig richtigen Platz für mich. Zum ersten Mal fühlte ich mich als Teil von etwas Großem, etwas wo ich dazugehörte und das mich wirklich berührte. Schreiben war nicht nur ein Job, schreiben war mein Leben, ich war nicht mehr die schräge Trulla, die sonst unsichtbar und still war, die seltsame Hobbys hatte und zu viele Katzen … sogar den ersten Auftritt in einer Gesprächsrunde auf der Bühne habe ich einigermaßen souverän gemeistert. Bis dieses kleine Wörtchen „Schreibblockade“ fiel – und ich, die ich sonst wirklich nicht abergläubisch bin, für Sekunden zur Salzsäule erstarrte und den Faden verlor. Als hätte all die Zeit ein Damoklesschwert über mir geschwebt und mich plötzlich in der Mitte entzwei geteilt. Ich war voller Ideen, aber plötzlich fiel mir das Schreiben immer schwerer und schwerer … nach vier Jahren voller Energie und ohne echte Pause, rollte der zweite BurnOut ohne Vorankündigung über mich hinweg und hinterließ in mir eine Spur der Verwüstung. Doch wenn du selbstständig bist, wenn du dein Hobby zum Beruf gemacht hast, dann gibt es kein Auffangnetz – du musst einen Schritt auf den anderen folgen lassen, du darfst nicht aufgeben. Also habe ich versucht nicht alles mit mir selbst auszumachen, mich nicht in meinem Schneckenhaus zu vergraben. Manch einer erinnert sich vielleicht auch daran, dass ich fleißig den Blog auf meiner Homepage gefüttert und meinem Herzen Luft gemacht habe, in dem ich alles notierte, was mir in den Sinn kam. Für mich war das ein Stück weit Therapie. Ich habe weiter geschrieben, weiter gearbeitet, aber ich merkte, wie viel schwieriger es war, die richtigen Worte zu finden – was sonst immer in erster Linie aus Herzblut und Leidenschaft entstanden war, wurde in manchen Nächten zur Gewissenssache. Rückblickend hätte ich manches anders gemacht oder länger gewartet, um eine Geschichte aufzuschreiben – aber ich war getrieben von meiner Verantwortung und dem Gefühl es mir selbst schuldig zu sein.


Die letzten sieben Jahre waren manchmal die reinste Achterbahnfahrt und es ist wahnsinnig viel passiert in dieser Zeit. Manches hat mich so unerwartet überrollt, dass ich es im Grunde erst realisieren konnte, als es schon vorbei war.

Mittlerweile habe ich mich gefangen und schreibe wieder mit Herzblut und Leidenschaft – aber dieser neuerliche BurnOut hat Narben in mir hinterlassen. Narben, die mich zwingen langsamer zu arbeiten, um kein weiteres Mal auszubrennen. Ich habe zahllose Ideen, meine Notizen wachsen täglich, aber ich kann nicht mehr dieses Tempo aufbringen, mit dem ich vor sechs Jahren noch innerhalb eines Monats ein ganzes Buch geschrieben habe.

Trotzdem ist da in mir drin auch dieser Wunsch nach „Mehr“! Und dieses „Mehr“ benötigt etwas, das mir im Moment immer noch fehlt, denn es bedeutet, dass ich mich aus meiner Komfortzone herauswagen muss … und es fällt mir einfach viel leichter hier zu sitzen und zu schreiben.


Ich liebe es die Gedanken in meinem Kopf zu einer Geschichte werden zu lassen, aber all das Drumherum, all das „Schaut mal alle her, was ich fabriziert habe“, fällt mir schwer.

Das, was Monika in ihrem Blog beschrieben hat, mit dem Vergleich zwischen sich und den extrovertierteren Kollegen, sehe ich genauso bei mir und anderen AutorInnen. Meine Auftritte in den sozialen Medien sind übersichtlich gesät, Facebook überfordert mich teilweise durch die Flut an Informationen, die mich dort geradezu niederwalzt, Instagram mit all seinen bunten Möglichkeiten begreife ich gerade erst so nach und nach – aber meistens bin ich völlig konzept- und orientierungslos, und wenn ich die Profile meiner KollegInnen so betrachte, wundere ich mich immer, wie sie alle so perfekt und wunderschön sein können.

Sich selbst zeigen, vor die Kamera treten, reden, agieren – das alles sind Dinge, die ich gern könnte, die ich gern wagen würde, für die mir aber der Mut fehlt. Mein nächstes Herzensprojekt ist ein selbst eingesprochenes Hörbuch – es wird nicht perfekt werden, aber ich weiß, dass ich das schaffe. Von dem Punkt ein kleines Video mit einer Online-Lesung zu machen, bin ich allerdings noch einen Riesenschritt entfernt …

Trotzdem hoffe ich, dass all das noch kommen kann – für mich und andere, für uns Unsichtbare, denen oft der Mut fehlt, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken, und stolz zu sein auf das was sie sind und was sie geschaffen haben.


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